von Stefanie Christmann
Die Vorsitzende der Esel-Initiative, Stefanie Christmann, war im September/Oktober 2015 in Nepal, um das Projekt in Langtang zu prüfen und auf Basis der Gespräche mit den allein erziehenden Müttern mit dem Kooperationspartner Sahayog Himalaya-Nepal zu besprechen, wie wir den allein erziehenden Müttern in den vom Erdbeben am meisten betroffenen Regionen Langtang und Manaslu am besten helfen können. Sie hat die Klimaschädlichkeit ihres Fluges über eine Klimaabgabe an www.atmosfair.de gemildert und die Reisekosten gespendet.
Die Folgen der Erdbeben in der Bergregion für alle
Langtang und Manaslu waren das Epizentrum der über 400 Erdbeben seit dem 25. April mit bis zu 7,8Mw Richterskala. Tausende Nepalis haben dabei ihr Leben verloren, etliche sind später im Krankenhaus gestorben, manche sind noch im Hospital.
Mehrstöckige, gut gebaute Hotels stehen nahezu unversehrt, aber vor allem Gebäude, die nur aus Steinen (ohne Zement) gebaut waren, sind zerstört. Unmittelbar nach dem ersten Erdbeben hat die Regierung Nepals Erdbebenopfern finanzielle Hilfe von zunächst umgerechnet ca. 70 und später zusätzlich 150 Euro gewährt. Weitere Hilfen wurden den Betroffenen versprochen. Aber wann die Auszahlung erfolgt, ist unklar, ebenso ob ein großer oder mehrere kleine Beträge gezahlt werden. Die meisten Haushalte haben die insgesamt 220 Euro für Lebensmittel und andere Anschaffungen für den unmittelbaren Gebrauch genutzt. Viele konnten z.B. Kochutensilien, Decken, Kleidung und Vorräte nur teilweise aus den Häusern retten und wollten das Nötigste ersetzen. Dieses Geld fehlt jetzt aber, um das zerstörte Haus in Teilen wieder aufzubauen oder dafür Holz zu kaufen. Zahlreiche Hilfsorganisationen haben sehr rasch mit Kunststoffplanen (festeres Material als normale Zelte; aber es sind bloße Planen, keine schließbaren Zelte mit Boden), 12 Wellblechplatten pro Haushalt, Lebensmitteln und anderem geholfen. Derzeit scheinen die Menschen aber ganz auf sich gestellt zu sein.
Die meisten Familien leben in den Feldern unter Kunststoffplanen, die auf einem Gerüst aus Holzstöcken liegen und festgebunden
sind. Langtang ist Naturschutzgebiet. Unmittelbar nach dem Erdbeben wurde das Verbot Bäume zu fällen gelockert, weil die Menschen sonst unter freiem Himmel hätten leben müssen. Wenn zu viele Bäume gefällt werden, steigt allerdings die Wahrscheinlichkeit von Bergrutschen, die die Dörfer in Langtang ohnehin bedrohen. Deshalb muss versucht werden, den Holzeinschlag (für Hausbau und Brennholz) so weit wie möglich zu begrenzen. Wenige Familien wohnen bereits in kleinen Wellblechbaracken. Sehr, sehr wenige haben das Wellblech benutzt, um ihr teilweise zerstörtes Haus winterfester zu machen. Die Situation in der Region ist verheerend und ohne rasche Hilfe vor dem Wintereinbruch (je nach Höhenlage Anfang bis Ende November) werden vermutlich viele Alte, Kranke und Kinder den Winter nicht überleben. Den Familien ist der bevorstehende Winter sehr bewusst, aber nur die wenigsten wissen bisher, wie sie sich besser gegen Kälte schützen könnten.
Dass der Wiederaufbau so langsam beginnt, liegt nicht nur an mangelnden finanziellen Mitteln, sondern auch an den vielen Nachbeben und an der speziellen Bauweise der Dörfer. Die Steinhäuser standen vielfach Wand an Wand. Ein schlecht gebautes Haus, das kippte, brachte im Dominoeffekt eine ganze Reihe von Häusern in Schräglage. Manche dicht bebaute Orte, z.B. Gatlang, sehen aus der Ferne noch intakt aus. Aber Gatlang ist ein “Geisterdorf”, die 2200 Einwohner haben es verlassen, weil die Häuser alle im Fundament oder in den Grundmauern verzogen sind, Löcher haben und bei kleinen Nachbeben sofort Steinschlag und weiterer Zusammenbruch drohen. Wenn ein einzelner versucht, sein Haus wieder aufzubauen, die Nachbarhäuser aber als Ruinen stehen bleiben, kann deren Instabilität auch die eigenen Aufbauleistungen wieder zunichte machen.
Auswirkungen der Beben auf allein erziehende Mütter in Langtang
Anders als in vielen anderen Projektregionen sind in Langtang vor allem Witwen mit vielen Kindern allein erziehend. Die meisten hatten ein schönes Steinhaus aus der Zeit der Ehe. Aber diese Häuser sind fast alle zerstört und unbewohnbar, so dass auch diese Mütter nun – wie in den anderen Projektregionen – ohne Haus, aber mit sehr viel mehr Kindern alleine stehen. Die besonders armen Mütter, die in Holzbaracken wohnten, hatten oft mehr Glück, weil ihre Behausungen die Erdbeben besser überstanden haben als die Steinhäuser. – Wir haben in Langtang Wasserbüffel und vor allem Kühe aus der Region vergeben (s. Reisebericht 2012). Nach unseren bisherigen Recherchen vor Ort sind mehr Wasserbüffel als Kühe im Erdbeben umgekommen. Einige Tiere sind beim Grasen auf den Steilhängen während des ersten starken Bebens abgestürzt. Mehrere Muttertiere, die wegen kleiner Kälber nahe am Haus gehalten wurden, sind durch Steinschlag oder zusammenstürzende Wände umgekommen. Die Zahl der verlorenen Tiere scheint jedoch kleiner zu sein als befürchtet. Ich habe, obwohl viele Frauen wegen des Erdbebens vorübergehend in anderen Orten wohnen, etliche wieder getroffen, die im damaligen Reisebericht erwähnt sind.
Der Straßenbau hat wie erwartet zu höherer Mobilität geführt; Männer haben ihre Familien verlassen; vereinzelt haben sogar Mütter ihre Kinder zurück gelassen und sind nach Kathmandu gegangen. Sahayog prüft, ob wir in den großen Projektregionen Langtang und Manaslu noch einmal systematisch alle aktuell allein erziehenden Mütter mit kleinen Kindern (ohne Muttertier) für eine zweite Vergaberunde erfassen. Da die Menschen in Langtang verstreuter leben als z.B. in Upper Mustang, ist eine neue systematische Vergaberunde sehr viel aufwändiger. Wir würden dann je nach Höhenlage Wasserbüffel, Kühe und Naks an neu hinzugekommene Mütter bzw. an Mütter, die ihr Muttertier durch das Erdbeben verloren haben, vergeben. Noch ist es dazu ohnehin zu früh, weil viele Mütter übergangsweise an anderen Orten wohnen und die Tiere nicht zu ihrem ursprünglichen Wohnort umziehen könnten. Manche Regionen wie Haku sind komplett evakuiert, weil die Bergrutschgefahr zu groß ist.
Mehrere allein erziehende Großmütter, die während des ersten, besonders starken Bebens im Haus waren, sind jetzt durch Steinschlag geistig behindert. Die Kinder und diese Großmütter leben jetzt meist getrennt bei unterschiedlichen Verwandten. Die jeweiligen Tiere sind in den Besitz des oder der Kinder übergegangen und sollen weiter zu deren Lebensunterhalt beitragen.
Lamen T., deren Mann 2012 kurz vor meinem Besuch in Langtang gestorben war, hatte damals fünf Kinder und war schwanger. Sie lebt mit ihren jetzt sechs Kindern in einem Unterstand aus Holz und Plastikplanen auf den Feldern. Sie hat gerade mal eine Decke pro Person, aber keine Matte zum Unterlegen. Wenn auf der offenen Feuerstelle gekocht wird, kann man unter dem niedrigen Plastikdach nichts sehen, so sehr brennt der Rauch in den Augen. Lamen hat mit Plane etwas abseits sogar eine Toilette gebaut. Sie hat auch Wellblech erhalten und will damit für den Winter einen winterfesteren Unterstand an ihrem alten Haus bauen. Bisher traut sie sich wegen der Einsturz- und Steinschlaggefahr aber nicht in ihr zusammenbrechendes Haus. Ihr Mann hatte es von einem Fachmann bauen lassen. Es hatte die traditionelle Holzverzierung und war geräumig. Ein solches Haus wird sie vermutlich nie wieder bekommen. Die Kuh ist im Erdbeben erschlagen wurden, das Kalb lebt, ist aber männlich. Vor dem Beben konnte sie mit dem Dung für 5 Monate genug Kartoffeln, Mais und Gemüse anbauen. Die drei Hennen und vier Küken, die sie sich vor dem Erdbeben gekauft hatte, haben überlebt. Seit über einem Monat arbeitet sie als Tagelöhnerin im Straßenbau. Sie sorgt mit einer Kolonne allein erziehender Mütter für besseren Wasserabfluss. Die Spitzhacken, Schaufeln etc. müssen die Frauen von zu Hause selbst mitbringen. Man hat ihnen 400 Rupien pro Tag (aber kein Essen) versprochen, aber bisher haben sie noch
keine Rupie erhalten. Das Schlimmste sei, dass sie noch Schulden habe. Ihr Mann sei ins Ausland gegangen und dort gestorben. Aber das Geld, das sie für seine Reise geliehen hatten, sei noch nicht vollständig zurückgezahlt. Jetzt würden die Gläubiger sie drängen, rasch zurückzuzahlen, da sie das Geld selbst bräuchten.
Viele allein erziehende Mütter hatten sehr viel mit Hilfe der Tiere erreicht und haben sich auch im Erdbeben behauptet
Vor dem Erdbeben hatten viele Mütter ihre Lebensbedingungen mit Hilfe der Tiere entscheidend verbessert. Die 79jährige Großmutter Miju T. beispielsweise sorgt nach wie vor für drei Enkel. Zwei Kinder sind noch in der Schule, der Älteste hat gerade die 12. Klasse abgeschlossen und will jetzt der Großmutter helfen, für die Familie zu sorgen. Miju hatte vor dem Beben drei Kühe und ein Kalb, aber keine eigenen Felder. Eine Kuh ist während des Erdbebens gestorben, die anderen Tiere hat sie noch. Da sie viel Dung hat(te), pachtete sie Felder. Obwohl sie 50% der Ernte an den Landbesitzer abgeben muss, reicht die Ernte trotzdem
für die vierköpfige Familie für 6 Monate. Miju und ihre Enkel konnten wenig aus dem zusammenbrechenden Haus retten. Sie hausten einen Monat in einem selbstgebauten Unterstand aus Bambus. Dann erhielten sie zwölf Wellblechplatten, aus denen sie sich eine neue Baracke bauten, in der sie nach wie vor leben. Der 19jährige Enkel Tsewang möchte vor dem Wintereinbruch einen Teil des verfallenden Steinhauses einreißen und dort mit dem Wellblech der Baracke und Steinen ein kleines Haus bauen. Das Geld für das Holz will er leihen und ebenso umgerechnet 2000 Euro, um im Anschluss als Arbeitskraft in die Emirate zu gehen und alle Schulden zurückzuzahlen.
Manchen allein erziehenden Müttern gelang es mit großer Hartnäckigkeit, wenigstens die wichtigsten Besitztümer zu retten. Die 35jährige Witwe Passang D. sorgt allein für vier Kinder. Ihre beste Milchkuh starb im Erdbeben, aber sie hat noch eine Kuh und ein Kalb. Sie besitzt Land und baut nicht nur das Getreide für den Nebenerwerb der Rakshi-Herstellung (lokal beliebtes alkoholisches Getränk) selbst an, sondern kann mit den gut gedüngten Feldern
inzwischen auch die Familie für 5 Monate mit Kartoffeln, Mais, Weizen, Sojabohnen, Hirse und Gemüse versorgen. Passang war es besonders wichtig, die verschüttete Ausrüstung zur Rakshi-Herstellung zu retten, mit der sie im Monat ca. 2000 Rupien verdient. Sie überzeugte schließlich Soldaten der nepalesischen Armee, ihr alle dafür notwendigen Utensilien aus dem Steinberg auszugraben. Sie selbst hatte kein Dach über dem Kopf und schlüpfte mit allen vier Kindern zunächst bei Verwandten unter. Dann erhielt sie eine eigene Kunststoffplane und schließlich Wellblech. Die lokale Verwaltung (VDC) gab ihr ein neues Essgeschirr. Passang geht davon aus, dass sie dem Winter in der Wellblechbaracke trotzen muss. Das jüngste Kind ist vier Jahre alt.
Bei manchen Müttern sieht es so aus, als könnten sie nun auch den Wiederaufbau alleine schaffen, sobald die Regierung die dritte Zahlung an die Erdbebenopfer freigibt. Langsum T., Witwe mit vier Kindern, die alle noch zur Schule gehen, hat in den vergangenen Jahren zwei männliche Kälber verkauft und drei Kühe/Kälber in Besitz. Sie hat eigenes Land. Die Ernte reicht dank so viel Dung trotz großer Familie für 6-7 Monate. Sie baut außer Kartoffeln, Mais, Gemüse etc. eine Medizinalpflanze (Chiraitu) zur Bekämpfung von Erkältungskrankheiten an. Sie verkauft Chiraitu für 500-700 Rupien pro kg an einen Großhändler in Dunche (große Stadt, 2-3 Tagesreisen entfernt). Langsum hat das Geld der Regierung z.T. für Lebensmittel, z.T. für die Vorbereitung des Wiederaufbaus des Hauses verwandt. Die älteste Tochter Britti möchte gern weiter lernen und später Buchhalterin bei einer Bank werden.
Die 57jährige Witwe Kali M., die für drei Töchter sorgt, hat inzwischen eine tragende Mutterkuh, ein weibliches und zwei männliche Kälber – eine kleine Herde. Sie will alle Tiere behalten und nicht eines verkaufen. Sie besaß vor der Vergabe der Kuh keinen Dung und versuchte damals, die Kühe anderer Haushalte zum Nachweiden nach der Ernte auf ihre Felder zu bekommen. Den Dung dieser wenigen Tage durfte sie behalten. Aber nicht jedes Jahr fand sie Kuhbesitzer, die dazu bereit waren. Selbst wenn es klappte, erntete sie nur minimal und musste sehr viel schlecht bezahlte Tagelöhnerarbeit verrichten. Jetzt hingegen erntet sie genug für 7 Monate und kann außerdem alle Einkäufe (Öl, Seife, Schulsachen, Kleidung etc.) über den Verkauf von Ernte finanzieren. Das älteste männliche Kalb ist inzwischen ein großer Ochse und wird vor den Pflug gespannt. Da Kali keinen Sohn hat, kann sie nicht selbst pflügen. Männer aus der Nachbarschaft, die ihren Ochsen zum Pflügen ausleihen wollen, müssen als Gegenleistung Kalis Felder pflügen und andere schwere Feldarbeit für sie machen. Kali ist sehr von ihrer Mutterkuh begeistert, denn sie gibt jeden Morgen 2 ½ l fette Milch. Kali, die selbst nie zur Schule ging, will allen drei Töchtern die Klasse
10 ermöglichen. Die Älteste hat diesen Abschluss schon geschafft. Mit dem Geld der Regierung hat Kali Arbeiter bezahlt, die ihr Holz für den Wiederaufbau des völlig zerstörten Hauses geschlagen haben. Den Wiederaufbau zumindest eines kleinen Hauses will sie rechtzeitig vor dem Winter in Angriff nehmen.
Lema S., eine 55jährige Witwe, die für zwei Söhne sorgt, verlor ein männliches Kalb, weil es beim Erdbeben gerade auf den steilen Hängen graste. Sie hatte es zum Pflügen behalten wollen. Aber die Mutterkuh und das kleinere weibliche Kalb standen geschützter in den Terrassen und haben überlebt. Lema hat mit ihren Söhnen das teilweise zerstörte Haus mit dem erhaltenen Wellblech, Steinen und den noch brauchbaren Holzbalken bereits wieder aufgebaut. Ihre Ernte reicht dank des Dungs für 6-7 Monate. Außerdem verdient sie ein bisschen mit dem Verkauf von Milch, aber den Großteil der Milch nutzt die Familie selbst – und teilt sie mit dem Kalb.
Lakpa K., die mich schon beim vergangenen Besuch (Reisebericht 2012) mit ihrer Weit- und Umsicht begeisterte, geht weiter anderen als Vorbild voran. Zwei der fünf Kinder sind noch bei der Witwe. Ihr schönes Haus ist dem Erdbeben zum Opfer gefallen und ebenso ihr Webstuhl, mit dem sie vor dem Erdbeben gutes Geld verdiente. Sie webt die Schürzen für den Verkauf inzwischen auf den Webstühlen der Käuferinnen und verdient damit 3000 Rupien im Monat. Lakpa hat die von uns vergebene Kuh und ein weibliches Kalb im Erdbeben verloren, aber ein älteres weibliches
Kalb, inzwischen selbst schon eine Kuh, und ein weiteres weibliches Kalb haben überlebt. Die Ernte sei sehr viel besser geworden, seit sie so viele Kühe habe, aber die Ernteverluste durch immer mehr Affen, Wildschweine und Stachelschweine würden von Jahr zu Jahr schlimmer. Die Wildschweine kämen inzwischen bis ins Dorf. Im Naturschutzgebiet Langtang dürfen keine wilden Tiere geschossen werden. Ein Sohn, der in Indien im Kloster war, kam nach dem Erdbeben vorübergehend zurück, um seiner Mutter und den jüngeren Geschwistern zu helfen. Lakpa und ihr Sohn haben mit Wellblech, Holz, das sie vom zerstörten Haus retten konnten, und dem Geld der Regierung bereits ein zwar auf Dauer
zu kleines, aber fast winterfestes Häuschen gebaut, in dem die Familie fürs Erste wohnen kann. Die restlichen Abdichtungen sind keine aufwändige Arbeit.
Yomend T. (Reisebericht 2012) die früher 30-40 kg Lasten auf langen Treckingtouren trug, hat inzwischen zwei große Sommergewächshäuser für Tomaten. (Sommergewächshäuser in dieser Region bestehen aus Stöcken und Plastikplane. Sie sind ganz anders als die, die wir für Ganzjahresgebrauch im weit höher gelegenen Upper Mustang bauen). Außerdem zieht Yomend Kohl und anderes Gemüse für den Verkauf. Als ihr Wasserbüffel nicht mehr tragend wurde,
verkaufte sie ihn und erwarb stattdessen eine stattliche jüngere Wasserbüffelkuh, so dass sie weiter Ghee (Butterschmalz) für den Verkauf herstellen kann. Sie verdient mit Ghee 3-4000 Rupien im Monat. Die Familie wohnt noch unter einer Plastikplane, aber Yomend hat ihre Hausruine mit den erhaltenen
Wellblechplatten schon teilweise wieder bewohnbar gemacht. Wegen der Nachbeben will sie noch etwas warten, bis sie das Haus komplett mit Stein wieder instand setzt.
Bildung für die Kinder
Den Kindern trotz der Erdbeben weiter Schulbildung zu ermöglichen, hat für manche Mütter hohe Priorität, selbst bei einigen Müttern, die nur die lokale Sprache, aber nicht Nepali sprechen. Die
50jährige Ang T., die vom Vater ihres inzwischen 15jährigen Sohnes verlassen worden war, möchte ihm gerne den Abschluss der 12. Klasse ermöglichen. Dafür muss er nach Galsung in ein Hostel
(einheimisches Schülerwohnheim). Sie hofft, dass sie die Kosten von ca. 2000 Rupien pro Monat trotz Erdbeben mit Rakshi-Herstellung bestreiten kann. Sie hat beim Erdbeben ein Kalb verloren, aber noch eine Kuh und ein weibliches Kalb. Außerdem verdiene sie mit ihren inzwischen sieben Hühnern etwas dazu. Sie könne sich 6 Monate mit der eigenen Ernte versorgen, obwohl sie auch das Getreide für Rakshi selbst anbaue. Sie hat einen Teil des Geldes der Regierung dafür verwandt, ihr Steinhaus zu stabilisieren. Aber es reicht noch nicht,
um darin zu leben. Ihr fehlt Geld, um aus dem Wellblech und Teilen ihres Hauses eine winterfeste Unterkunft zu machen. Dafür müsse sie jemand bezahlen, sie selbst könne das nicht. Sie ist entschlossen, im Winter in ihrer Unterkunft aus Kunststoffplanen zu bleiben.
Auch die 46jährige Witwe Mendobri T. hofft, dass sie ihrer 17 Jahre alten Tochter Schulbildung über die 10. Klasse hinaus ermöglichen kann. Vor dem Erdbeben ging es ihr gut. Die Ernte reichte dank des Dungs für ein halbes Jahr; außerdem verdient sie 3500 Rupien pro Monat mit Rakshi und 1200-1500 Rupien mit dem Verkauf von Milch. Sie hat nach wie vor eine Kuh und ein Kalb. Ihr Haus ist durch einen großen Felsblock schwer beschädigt. Ihr Dorf unmittelbar am Steilhang war über Monate heftigem Steinschlag ausgesetzt. Um sich, die
Tochter, ihre Kuh und das Kalb zu schützen, gingen die Frauen unmittelbar nach dem ersten Erdbeben zu Fuß mit den Tieren ins geschützter gelegene Nachbardorf. Wann immer sie auf den Feldern im Heimatdorf arbeitete, holte Mendobri nach und nach die Überreste ihres Hausstands. Sie lebt noch im Nachbardorf in einer Wellblechbaracke, für deren Bau sie selbst drei Tage lang Holz geschlagen hat.
Die trainierten Geburtshelferinnen
Ich habe fünf der elf Absolventinnen getroffen. Alle sind nach wie vor aktiv. Einige haben schon sehr viele Geburten betreut; Passang T., die in Gatlang lebt, sogar mehr als 50. Alle haben sehr viel mehr werdende Mütter während der Schwangerschaften betreut als Geburten, weil sie versuchen, die Mütter von der Hausgeburt abzubringen und für eine Geburt im Krankenhaus zu gewinnen. Früh- und Fehlgeburten hätten sie aufgrund des Schocks unmittelbar nach dem Erdbeben nicht betreuen müssen. Aber viele Familienangehörige und werdende Mütter hätten
große Angst gehabt, dass die Babies wegen des Schreckens der Mütter blind oder anderweitig behindert würden. Die Hebammen hätten geduldig diese Ängste bekämpft.
Kami D., die trainierte Geburtshelferin von Chilime, ist zu Fuß in allen weit verstreuten Ortschaften des Distrikts Chilime unterwegs, hilft auf Anfrage und wo immer sie Schwangere sieht, selbst im weit entfernten Galsung. Sahayog klärt, ob sie für ein Pferd sorgen kann. Dann soll sie eins erhalten. Kami hat inzwischen ca. 20 Geburten betreut. Sie hat bei einer Schwangeren die Steißlage des Babies rechtzeitig erkannt und die werdende Mutter über mehrere Stationen (Gesundheitsstation, kleineres Krankenhaus, Krankenhaus in Dunche) sogar bis nach Kathmandu begleitet, wo das Kind schließlich mit Kaiserschnitt geholt werden konnte. In mehreren Fällen hat sie sich gegen Schwiegermütter
durchgesetzt, die “all das Gerede über die Notwendigkeit einer sterilen Geburt” für unnötig hielten. Alle Geburten wurden so steril wie bei einer Hausgeburt in den Bergen möglich durchgeführt, keine der Mütter habe Infektionen bekommen. Auch das Baden der Säuglinge unmittelbar nach der Geburt in nicht abgekochtem Wasser habe sie immer unterbunden, damit sich die Babies nicht infizieren. Genauso beharrlich und letztlich erfolgreich habe sie das Reinigen der Brust vor dem Stillen propagiert.
Sunnita T. hat inzwischen ca. 25 Gebährenden Beistand geleistet. “Zwei Geburten waren sehr schwierig; die Kinder kamen gut zur Welt, aber die Nachgeburten
wurden nicht ausgestoßen. Eine Mutter musste ich schließlich sogar für eine Ausschabung ins Krankenhaus bringen. Ich kann das nicht machen – und sie wäre sonst gestorben.“ Auch Passang T. berichtete von Problemen mit der Nachgeburt; sie habe die Ausstoßung mehrfach durch Massage bewirkt. – Die trainierten Geburtshelferinnen arbeiten nach wie vor ehrenamtlich, aber alle berichteten, dass die Dorfbewohner inzwischen ihre Dienste als selbstverständlich ansehen und unterstellen, sie würden doch von einer Organisation dafür bezahlt. Denn sonst würden sie ja nicht etliche Jahre nach dem Training immer noch kommen. Kami kommentierte dazu nur: “Das Training und diese Arbeit haben mich selbst reicher gemacht. Ich bin froh, dass ich jetzt so vielen Frauen helfen kann.”
Aktuelles: Sahayog versucht, über die tibetische Grenze Öfen (für Holz und Dung) in die Regionen Langtang und Manaslu zu bringen und sie dort mit Ofenrohren an allein erziehende Mütter zu vergeben. Die Mütter können die Öfen später von der Wellblechbaracke mit in ihre Häuser nehmen. Die Ofenrohre werden vor dem beißenden Rauch schützen (jedes Jahr erblinden lt. Vereinten Nationen 2 Millionen Frauen durch den Rauch offener Feuerstellen) und die Wärme länger im Raum halten. Die Öfen sollen außerdem den Holzbedarf einschränken, Abholzung und in der Folge noch größerer Bergrutschgefahr in diesen beiden Projektregionen vorbeugen. Die Vergabe soll in den höchstgelegenen Dörfern beginnen und so viele Dörfer wie möglich umfassen. Außerdem will Sahayog eine Wärmeisolierung der Wellblechhütten von innen aus Erde, Dung und Stroh (in einem Fachwerkgeflecht, das von innen am Wellblech befestigt werden soll) demonstrieren, die die Mütter selbst für weitere Familien bauen können. Über eine zweite Vergaberunde wird später entschieden.
Nach wie vor werden Naks im nördlichen Teil Dolpas vergeben; die Mütter in Upper Mustang bauen sich unter Anleitung weiter Gewächshäuser.
Es war der schwierigste Projektbesuch in 20 Jahren Esel-Initiative. Langtang ist sehr steil, und der Monsun fiel in die Monate der Nachbeben. Wir mussten immer wieder Bergrutschen ausweichen, d.h. durch die Terrassen ohne Pfade bergauf und bergab gehen. Selbst auf diesen Ausweichstrecken gab es dann wieder Bergrutsche, teilweise mit Wasserlauf, was das Überqueren noch gefährlicher machte. Aber alle haben die Projektreise unverletzt überstanden. Wir waren mit Zelten unterwegs und haben Lebensmittel, Kerosin etc. mitgenommen, um der Bevölkerung nicht zur Last zu fallen. Da die Ausweichstrecken keine Mulis erlaubten, musste alles von Trägern geschleppt werden. Wir waren daher, mich eingerechnet, elf Personen. Zusätzlich wurde der Projektbesuch dadurch behindert, dass Indien die Lieferung von Sprit, Diesel, Koch- und Flugkerosin an Nepal gestoppt hat. Der Verkehr ist nahezu zum Erliegen gekommen, die wenigen Busse, die überhaupt fahren, haben im Fahrgastraum und auf dem Dach so viele Passagiere, wie irgendwie hinein- und hinaufpassen, viel mehr als die Bremsen erlauben. Privatwagen bekommen gar keinen Treibstoff. Wir mussten selbst die Strecken im Tal zu bzw. zwischen den Projektgebieten innerhalb Langtangs zu Fuß laufen, die wir normalerweise mit dem Bus bewältigt hätten. Laxmi hatte eine andere Projektregion vorgeschlagen und hätte mich dorthin auch begleitet, aber ich wollte unbedingt in ein Gebiet im Epizentrum. Laxmi hätte diese schwierige und teils gefährliche Wegstrecke gesundheitlich nicht geschafft; daher hat ihr 22jähriger Sohn Yogesh mich begleitet. Er hat diese vielfältige Aufgabe sehr gut gemeistert.