von Stefanie Christmann
Die Vorsitzende der Esel-Initiative, Stefanie Christmann, war im September/Oktober 2018 in Nepal, um das Projekt in Upper Mustang zu prüfen. Sie hat die Klimaschädlichkeit des Fluges über eine Abgabe an www.atmosfair.de gemildert und die Reisekosten gespendet.
Fu. D. hat ihr ganzes Leben verändert. Die unverheiratete Mutter, die 2007 als eine der ersten eine Kuh erhielt, hat inzwischen drei Kühe und zwei weibliche Kälber. Zwei männliche Kälber hat sie für 14.000 Rupien abgegeben (1 Euro = 135 Rupien). Manchmal verkauft sie Butter, aber meist nur Tschurpi (Hartkäse), „denn für meine Großmutter – sie ist 85 Jahre alt – ist Butter inzwischen ihr wichtigstes Nahrungsmittel. Das soll sie haben. Ich bekomme für den Verkauf von Tschurpi ca. 6.000 Rupien im Jahr, das reicht mir.“ Mit dem Gewächshaus erwirtschaftet sie im Jahr das Zehnfache: 60.000 Rupien – das entspricht 120 Tagen als Tagelöhnerin (500 Rupien pro Tag für einen Knochenjob) – obwohl sie nur 70% der Ernte gegen Bargeld verkauft. 30% sind für Eigenverbrauch und Tauschhandel (Seife, Salz, Fleisch, Nachbarschaftshilfe etc.). Ihr Gewächshaus ist 8,60 x 6 m groß (die Größe bestimmt jede Mutter selbst, da sich das nach der Größe des jeweiligen Feldes richten muss). Die Großmutter hatte ihr das Land für das Gewächshaus geschenkt. Sie wird ihr auch ihr Haus hinterlassen.
Betritt man das Gewächshaus, empfangen einen feuchte Hitze wie in einer Sauna und ein Mosaik von Pflanzen: Chili, Bohnen, Gurken, Sark (eine Art Spinat oder Mangold), Tomaten, Rote Bete, Koriander, kleine Flächen, (0,30 m x 0,30 m), in denen sie Kohl und Blumenkohl ausgesät hat und teilweise schon Setzlinge wachsen. Das Gewächshaus ist rund ums Jahr bepflanzt, so dass Fu jeden Tag ernten kann. „Wir essen jetzt jeden Tag Gemüse – und so vielerlei! Gemüse, das wir früher nicht mal kannten. Früher gab es vom Frühjahr bis zum Herbst höchstens einmal die Woche Sark, aber auch das nicht immer. Im Winter gab es gar kein Gemüse. Jetzt baue ich im Winter Sark an und verkaufe es für 15-17.000 Rupien allein im Winter. Im März/April säe ich Tomaten und Gurken und ziehe Kohl. Für den Verkauf sind die Touristenmonate am besten, Frühjahr bis in den Sommer und dann ab September bis Ende Oktober. In den Monaten kommen die Köche der Gästehäuser, die kaufen sehr viel. Mein bestes Gemüse ist Rote Bete. Für so eine kleine Knolle (etwas größer als ein Tischtennisball) bekomme ich 250 Rupien!“ Fu zieht im Gewächshaus auch selbst Samen, „denn dieses Jahr war die Qualität der Samen, die wir gekauft haben, so schlecht!“ Das ist eine Klage, die ich in allen Dörfern über den Samen von 2018 gehört habe. Viele Mütter ziehen jetzt selbst Samen
Fu macht außerdem noch Tagelöhnerdienste, denn sie hat vor 9 Jahren erneut eine Tochter bekommen. „Sie soll eine sehr gute Schulbildung haben, deshalb geht sie nicht in die staatliche Schule hier in Lo Mantang, sondern auf eine private Schule in Jomsom, obwohl ich dafür im Monat 10.000 Rupien zahlen muss. Den restlichen Betrag zahlt ein Sponsor“ (Stiftung aus der Schweiz, S.C.).
Die Vielfalt in den Gewächshäusern
Nur wenige Mütter haben lediglich zwei bis drei verschiedene Pflanzen im Gewächshaus, z.B. Tomaten und Gurken (oder bei den Großmüttern: Weißkohl und Blumenkohl). Die meisten Frauen haben 10-12 verschiedene Gemüsearten gleichzeitig und auch verschiedene Stadien, z.B. Salat zum Ernten und frisch ausgesät. Normalerweise nutzen sie den Dung ihrer Kühe, aber für die kleinen Aussaatflecken sammeln sie Ziegenperlen. Insgesamt habe ich gesehen: verschiedene Tomatenarten, Gurken, dreierlei Arten Sark, Möhren, Auberginen, dreierlei Bohnen, Zucchini, Paprika, Koreander (Koreander hatte nahezu jede Mutter), Minze, verschiedene Medizinalpflanzen, Weißkohl, Blumenkohl, Broccoli, Salat, Chili, Rote Bete, Zwiebel, einheimische Gewürzkräuter, 2 Weintraubenstöcke und kleine Apfelbäume. Die Apfelbäume hatte jemand der Großmutter Dolma T. im Winter mitgebracht. Ihr Gewächshaus war der einzige Ort, an dem sie die winzigen Bäumchen einpflanzen und durch den harten Winter von Chössar bringen konnte. Diesen Herbst will Dolma sie auspflanzen. Apfelbäume sind ein sehr gutes Geschäft in Upper Mustang. Auch die Preise für Gemüse sind hoch: Für 1 kg Stangenbohnen erhalten die Mütter 200-300 Rupien, für 1 kg Tomaten 180-220, 1 kg Sark 80-100, 1 kg Cherrytomaten 200-250 Rupien und eine einzelne Gurke mittlerer Größe bringt 150 Rupien. „Die Cherrytomaten verkaufe ich an ein Gästehaus in Lo Mantang, alles andere hier in Chössar“, sagt Passang G., eine Witwe, die nach wie vor zwei ihrer vier Kinder im Haus hat. Sie gehen beide noch zur Schule. Tschörten G. nutzt das Gewächshaus sogar zeitweise, um dünne Fleischstreifen zu trocknen.
Die Mütter erfinden diverse Konstruktionen, um die Tomaten- und Gurkenstauden hochzubinden: dünne Streifen von alten Gebetsschals sieht man sehr häufig, manchmal Kordel. Passang, eine sehr gute Weberin, hatte aus dünnen Ästen ein horizontal schwebendes Gitternetz geflochten, das am Dachbalken befestigt war.Die Mütter verkaufen an Klöster, Gästehäuser und andere Dorfbewohner. Viele Gästehäuser schicken jemand, der ab Gewächshaus kauft, aber manche Mütter schleppen ihre Ernte auch selbst in andere Orte.
Ich habe in keinem einzigen Gewächshaus Schädlinge oder die Folgen von Schädlingsbefall gesehen, auch keinen Mehltau auf Gurken- oder Zucchinipflanzen.
Die Mütter berichten, dass das erste Jahr schwierig gewesen sei, sie hätten plötzlich Gemüse angebaut, das sie überhaupt nicht kannten. Nicht alles hätte im ersten Jahr geklappt, aber inzwischen hätten sie Erfahrung.
Die Gewächshäuser sind eine ideale Ergänzung zur Feldproduktion: Wintergerste oder Winterweizen und danach Kartoffeln, Buchweizen oder manchmal eine Pflanze, die aussieht wie Mais, aber keine Kolben bildet und als Futter für Kühe angebaut wird. Gemüse gibt es auf den Feldern nicht, höchstens in winzigen Hausgärten.
Die meisten Mütter nutzen 20-30% der Gewächshausproduktion für Eigenverbrauch und Tauschhandel und den weitaus größeren Teil für Verkauf gegen Bares.
Veränderungen in Upper Mustang
Upper Mustang verändert sich rapide, der Strassenbau (Trassen von immenser Breite) nimmt immer mehr zu und verschandelt die Landschaft. Selbst Stupas und andere religiöse Bauwerke werden zerstört. Oft entscheiden die Planer nach dem Baggern und Planieren wieder anders, so dass viel mehr Trassen vorhanden sind als aus Sicht von Dorfbewohnern nötig wären. Die Zahl der Touristen steigt stark an, viele oder sogar die meisten fahren die ganze Strecke mit dem Jeep. Für Trekker werden jetzt ansatzweise attraktivere Pfade als Alternative zur Autotrasse angelegt. Manche allein erziehende Mütter hoffen, nicht nur mit dem Gewächshaus, sondern auch durch die Vermietung von Zimmern am Tourismuseinkommen teilzuhaben.
Putak (nördlicher Teil von Lower Mustang) liegt an einer solchen Ausweichstrecke für Trekker zwischen Muktinath und Jomsom. Die Witwe Karsang A. war selbst bis zur 8. Klasse in der Schule und ist sehr intelligent. Auch beide Töchter haben inzwischen die Klasse 8 beendet. Karsang hatte schon beim vorletzten Besuch 2011 ein Bhatti (Garküche für Einheimische) in Betrieb. 2017 hat sie auf dem Boden von Haus und Bhatti ein Restaurant gebaut mit zusätzlichen Räumen, einige sind schon bereit für Touristen. Karsang hat sich mehreren Sparklubs angeschlossen und insgesamt 200.000 Rupien Kredit aufgenommen. Sie muss alle sechs Monate 5.000 Rupien zurückzahlen. Die Kuh, die wir 2008 vergeben haben, gibt immer noch Milch. Karsang hat fünf Kälber von ihr (zwei männlich, drei weiblich). Sie nutzt Milch und Butter in ihrem Restaurant und verkauft Tschurpi für 15.000 Rupien im Jahr. Die jüngere Tochter ist bei ihr in Putak, die ältere lebt in Kathmandu und hat einen Laden in einem Hostel aufgemacht. Manchmal hilft ihr diese Tochter bei der Abzahlung des Kredits.
Auch Yangdzin G. aus Gilling hofft auf Tourismus. Die unverheiratete Mutter von zwei Kindern wohnte, seit sie wegen ihrer ersten Schwangerschaft bei den Eltern ausziehen musste, unter sehr schwierigen Umständen mit häufigem Regen- und Schneeeintritt in ihr kleines Zimmer. Beim Erdbeben 2015 stürzte das ganze Haus ein. Yangdzin konnte mit Hilfe von Nachbarn ihre Möbel, das Kochgeschirr, Decken und Vorräte aus den Trümmern retten. Die Dorfgemeinschaft hat ihr danach ungenutztes Land etwas außerhalb des Orts gegeben, und sie hat sich dort ein Haus mit mehreren Zimmern gebaut. Sie hat für den Hausbau einen Kredit von 80.000 Rupien bei Sparklubs aufgenommen und muss pro Jahr 10.000 Rupien zurückzahlen. Sie nutzt bisher nur ein Zimmer als Schlaf- und Wohnraum. Sie verkauft dort auch Tee und lokales Bier an Einheimische. Das Haus liegt an einer Ausweichstrecke für Mustang Reisende, die zu Fuß gehen. Yangdzin hofft, dass sie später die anderen Räume als Teestube für Trekker nutzen kann. Sie hat inzwischen zwei Kühe und zwei männliche Kälber. Yangdzin war es 2008 sehr wichtig, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Ihr Sohn ist inzwischen in ein Kloster eingetreten, die Tochter ist in Klasse 12 in Kathmandu (mit Sponsor), aber Yangdzin trägt jedes Jahr 10-12.000 Rupien bei.
In Chössar, das noch weiter nördlich als Lo Mantang liegt, hofft eine Mutter, Dawa T., irgendwann einige Zimmer ihres neugebauten Hauses an Touristen zu vermieten. Die Witwe hatte ihr Haus durch Regen und den darauf folgenden Schlammrutsch verloren. Viele Dorfbewohner halfen beim Aufbau des neuen Hauses. Trotzdem hat sie bei Sparklubs 200.000 Rupien Kredit aufgenommen und zahlt jedes Jahr 25.000 zurück. Ein Sohn ist noch bei ihr, er geht in die 8. Klasse der staatlichen Schule in Chössar, ein Kind ist im Kloster. Sie verkauft im Jahr Gemüse für 25.000 Rupien, das ist gerade der Betrag, den sie für den Kredit benötigt. Außerdem macht sie Tagelöhnerarbeit im weiten Umkreis.
Kühe und Kälber
Manche Mütter haben inzwischen eine ganze Herde. Spitzenreiterin war die Witwe Tschenchen G. mit fünf Kühen (und der von uns erhaltenen Kuh, die nur noch ihr Gnadenbrot bekommt) und 4 Kälbern (drei männlich, eins weiblich). In der Zwischenzeit hat sie außerdem zwei männliche Kälber verkauft, für je 15.000 Rupien. Mit Butter verdient sie ca. 15.000 Rupien im Jahr. Sie hat sehr viel Heu gesammelt, um ihre Herde gut über den Winter zu bringen.
Auch Yangdu G. aus Namgyal hat inzwischen fünf Kühe, aber „nur“ ein fast erwachsenes männliches Kalb und zwei junge weibliche Kälber. Sie verdient pro Jahr 15-20.000 Rupien mit Milchprodukten. Sie verkauft Gemüse aus dem Gewächshaus für 50.000 Rupien im Jahr. Tomaten, Bohnen und Zucchini seien ihre besten Gemüsearten. Yangdu zahlt selbst monatlich 6.000 Rupien für die Schule ihrer Tochter, die 13 Jahre alt ist und in Jomsom die private Schule besucht. Yangdu wohnt noch bei ihrer Mutter, wird das Zimmer aber verlieren, wenn ihr Bruder erbt. Manche allein erziehenden Mütter profitieren davon, dass die Geschwister abwandern – so erben sie am Ende doch etwas Land oder das Haus, sei es von den Eltern oder von der Großmutter, für die sie sorgen, einer Tante oder anderen Verwandten. Aber nicht alle haben dieses Glück.
Zur Miete wohnen kann sehr teuer werden. Die unverheiratete Dawa P. aus Lo Mantang wohnt mit ihrem 15jährigen Sohn zur Miete – 30.000 Rupien muss sie in bar bezahlen. Früher, als ihr Vermieter noch im Haus wohnte, konnte sie die Miete auf den Feldern, mit Schneeschippen, Waschen etc. abarbeiten. Aber jetzt muss sie 60 Tagelöhnerdienste machen, allein um die Miete zahlen zu können. Ihr Sohn ist in der 8. Klasse. Er soll danach weiter lernen – in Pokhara, und sie wird dafür Schulgeld aufbringen müssen. Im Moment verdient sie mit dem Gewächshaus 35-40.000 Rupien, sie hat eine Kuh und zwei Kälber, aber kein Land außer dem, auf dem das Gewächshaus steht. Sie muss daher sehr viel mehr Lebensmittel kaufen als Witwen, die mit der Ernte ihrer Felder vier bis sechs Monate oder sogar das ganze Jahr bestreiten können. Sie hofft darauf, dass die Weinstöcke Trauben bringen, denn damit wäre sie die einzige in Upper Mustang, die solche Früchte verkaufen könnte. Ihre Tochter ist inzwischen Lehrerin in Lo Mantang – ein enormer Aufstieg für eine Tochter einer unverheirateten Mutter.
Mütter und Töchter
Damals, als die Mütter die Kühe erhielten, machten wir zur Bedingung, dass alle Kinder zur Schule gehen sollten. Inzwischen haben die meisten Kinder von einst die Dorfschulen (oft bis Klasse 5, manchmal bis Klasse 8 oder 10) absolviert, viele gehen auf weiterführende Internatsschulen. Selbst wenn das Schulgeld und der Aufenthalt größtenteils von Stiftungen gesponsert werden, müssen manche Mütter monatlich sehr viel Geld zuzahlen. Die unverheiratete Jütin G. z.B. muss im Monat 5.000 Rupien beitragen, Yangdzin G. aus Lo Mantang sogar 15.000 Rupien pro Monat. Ihr Sohn geht in Kathmandu zur Schule. Yangdzin arbeitet als Reinigungsfrau bei der lokalen Verwaltung und verdient dort 16.000 Rupien im Monat. Sie nutzt 20% der Ernte im Gewächshaus für Eigenverbrauch und Tauschhandel und erzielt mit der übrigen Ernte 50.000 Rupien im Jahr. Von diesem Einkommen leben sie selbst und ihre Großmutter, für die sie sorgt. „Ich habe das Gewächshaus zur rechten Zeit erhalten, denn so kann ich mit meinem Gehalt meinem Sohn eine gute Schule ermöglichen.“ Außerdem arbeitet sie manchmal als Tagelöhnerin.
Mehrfach habe ich Töchter in Vertretung einer kranken oder abwesenden Mutter getroffen und zum ersten Mal seit 1995 (als wir die Esel-Initiative gründeten) einzelne Gespräche komplett in Englisch ohne Übersetzerin geführt. Laxmi brauchte dann nur zuzuhören. Die jungen Frauen sprachen gutes Englisch, sie äußerten sich freier als die meisten Mütter und waren voller Hoffnung auf die Zukunft. Laxmi und ich hatten beide den Eindruck: Diese jungen Frauen stehen für eine ganz neue, andere Generation, eine Generation mit sehr offenen Augen und Herzen für andere, selbstbewusster als ihre Mütter, anteilnehmend und hilfsbereit.
Tsiring J. aus Tsarang ist die Tochter einer unverheirateten Mutter, die 2007 eine Kuh erhielt. Tsiring lebt im Kloster von Tsarang, kann aber für ihre inzwischen kranke Mutter sorgen. Tsiring: „Ich bin sehr gerne im Kloster und will mein ganzes Leben lang dort bleiben. Man ist im Kloster sehr frei, man braucht sich nicht um seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern, man bekommt eine Ausbildung, Essen und ein Bett, man kann sich voll darauf konzentrieren, zu lernen und anderen zu helfen. Mein Lebenstraum ist es, ein Haus für Arme zu eröffnen und sie dort zu unterrichten.“
In jedem der vier bisherigen Reiseberichte aus Upper Dolpa (Annapurnaregion) habe ich über Dossilamo G. aus Chössar berichtet. Dossilamo ist eine unverheiratete Mutter von drei Kindern, sie lebte am längsten in einer Felshöhle, in einer sehr nassen, weil dort im Frühjahr das Schmelzwasser eindrang. Niemand in Chössar war in einer so schwierigen Lage wie sie. Sie erhielt 2007 eine Kuh, die sie nach wie vor hat, sie hat auch ein Kalb. Da ihre Familie ihr kein Land gab, konnte sie kein Gewächshaus bekommen. In den Monaten ohne Feldarbeit geht sie mit Kleidern und Bergkräutern beladen in der weit entfernten Manasluregion von Dorf zu Dorf und verkauft von Tür zu Tür. 2014 hatte sie begonnen, sich in Chössar selbst ein Haus zu bauen. Das Haus ist inzwischen fertig und bezogen. Eins ihrer drei Kinder ist in der 6. Klasse der staatlichen Schule in Chössar, ein Sohn ist in Klasse 11 in Pokhara, dafür muss Dossilamo pro Monat 3.500 Rupien zahlen. Zusätzlich hat Dossilamo für ihre älteste Tochter 12 Jahre lang jeden Monat 3.500 Rupien Schulgeld gezahlt – plus Kleidung, zweimal im Jahr Reisegeld für Besuche bei der Mutter und Taschengeld/Schulbedarf für beide bzw. drei Kinder. Ihre älteste Tochter Phura kann sich gut an die vielen Jahre in der Felshöhle erinnern. Phura ist inzwischen 23, sie spricht fließend Englisch und ist seit vier Monaten Mathematiklehrerin in Lo Mantang (für Kinder im Vorschulalter und Primarschule/bis 5. Klasse).
Wenn Phura Ferien hat, geht sie mit ihrer Mutter über die Dörfer und hilft ihr beim Kleinsthandel. Nach ihrer Zukunft gefragt, war ihr erster Wunsch: „Meine erste Priorität wird immer die Unterstützung meiner Mutter sein. Mein zweiter Wunsch wäre, den Bachelor in Erziehungswissenschaften zu machen, dann wieder Kinder aus den Bergdörfern hier zu unterrichten und in der Nähe meiner Mutter zu sein. Aber dafür bräuchte ich einen Sponsor.“ Phura weiß, dass die Esel-Initiative keinen Bachelor finanzieren kann, aber ich habe ihr versprochen, im Reisebericht von ihrem Wunsch zu berichten – in der Hoffnung, dass sich vielleicht ein/e Sponsor/In findet.
Veränderte Situation auch für Hebammen
Bei diesem Besuch habe ich nur eine unserer Hebammen getroffen, Kessang G. aus Thinkkar. Durch den Straßenbau gehen jetzt mehr Mütter zur Entbindung ins Krankenhaus. Auch Krankentransporte werden nicht mehr per Pferd, sondern per Jeep gemacht. Aber immer noch entbinden vor allem arme Mütter und solche, die schon mehrere Geburten geschafft haben, zu Hause. „Alle Geburten, die ich betreut habe, sind gut verlaufen, für Mutter und Kind. Einmal habe ich einer Mutter mit Blutungen vor der Geburt dringendst empfohlen, mit dem Helikopter nach Pokhara ins Krankenhaus zu fliegen. Die Mutter hat dadurch überlebt, aber für das Kind war es zu spät. Ein anderes Mal hatte ich bei einer Schwangeren mit sehr großem Bauch das Gefühl, zwei Köpfe zu spüren. Das ist hier in unserer Region sehr ungewöhnlich, und ich habe im Training gelernt, dass Zwillinge oft zu früh geboren werden und manchmal sogar einen Brutkasten brauchen. Auch dieser Mutter habe ich sehr empfohlen, frühzeitig nach Pokhara zu fahren und im Krankenhaus zu entbinden. Das hat sie auch gemacht. Es waren Zwillinge. Alle drei sind wohlauf, die Kinder sind jetzt schon so groß (zeigt ca. 90 cm, S.C.).
Immer noch reitet Kessang alle zwei Monate in diverse Dörfer – Fuwa, Namgyal, Kimaling, Chungsung u.a. – und fragt, ob schwangere Frauen dort seien, um Vorsorgeuntersuchungen zu machen.
Inzwischen empfiehlt und vergibt sie im Auftrag der Regierung (aber unbezahlt) Mittel zur Familienplanung, sie prüft, wer zum Impfen in den Gesundheitsposten muss und wen sie selbst impfen kann. „Die Zahl der Schwangerschaften ist sehr zurückgegangen seit ich die Familienplanung propagiere“, sagt Kessang. „Insgesamt habe ich seit dem Training ca. 25 Geburten selbst betreut, aber die meisten waren in den ersten Jahren. Die Straße und die empfängnisverhütenden Mittel haben die Situation sehr verändert.“ Kessang arbeitet ehrenamtlich das ganze Jahr über und hilft auch bei Schnee und Eis. Der Gesundheitsposten in Kimaling ist nur 8-9 Monate im Jahr besetzt.
Unser Engagement in Upper Mustang
Die Klöster und die Modernisierung in Upper Mustang haben dazu geführt, dass es kaum noch neue allein erziehende Mütter gibt. Manchmal kommt eine Witwe mit kleinen Kindern hier oder dort dazu, aber kaum noch unverheiratete Mütter in Folge von Polyandrie (nur der älteste Sohn darf heiraten, mit seiner Frau sind auch der oder die Brüder verheiratet, um so eine Aufsplittung des ohnehin kleinen Hauses und der wenigen Felder zu vermeiden). Wir wollen uns deshalb künftig auf die Regionen konzentrieren, in denen Polyandrie und in der Folge Mangel an Männern, die heiraten könnten, noch sehr verbreitet ist, also auf Bergregionen im Westen wie Dolpa und Mugu. Dort werden immer noch viele Frauen unverheiratet Mutter.
Stefanie bedankt sich für die vielen vielen Genesungswünsche, mit denen sie nicht gerechnet hatte, über die sie sich aber umso mehr gefreut hat.