von Stefanie Christmann
Die Vorsitzende der Esel-Initiative, Stefanie Christmann, war knapp 4 Wochen in Nepal, um das Projekt in Upper Mustang und im nördlichen Teil von Lower Mustang zu prüfen. Um die Klimaschädlichkeit des Fluges abzumildern, wurde eine Klimaabgabe an www.atmosfair.de gezahlt. Stefanie hat die Reisekosten gespendet.
Upper und Lower Mustang waren unsere ersten Projektgebiete in Nepal;
wir haben in Upper Mustang im Herbst 2007 und im Herbst 2008 lokale Kühe vergeben, in Lower Mustang im Herbst 2007 lokale Kühe (90 €) und Kühe mit Jersey-Einkreuzung (380 €).
Nach vier Jahren ist eindeutig: Die lokalen Kühe sind die bessere Wahl. Einige Mütter, die eine Kuh mit Jersey-Einkreuzung wollten, z.B. Otar K. aus Taglung, haben zwar ein höheres Einkommen als Mütter mit einer lokalen Kuh, aber die Haltung der Jersey-Kreuzungen ist für viele Mütter schwierig (hoher Futterbedarf, die Kühe sind wenig geländegängig, die Mütter müssen selbst den Zeitpunkt bestimmen, wann ihre Kuh zum Bullen gebracht werden muss).
Die Besitzerinnen lokaler Kühe haben deutlich mehr Kälber und damit häufiger Milch, und sie haben nicht die ständige Angst, dass ihre Kuh sich ein Bein bricht und stirbt. Die Besitzerinnen der lokalen Kühe sind sehr zufrieden, wir werden deshalb künftig lokale Kühe vergeben, wenn die Mütter einer Region sich generell für Kühe entscheiden.
Mit Milch und Dung der lokalen Kühe haben die Mütter in den wenigen Jahren ihre Lebenssituation enorm verbessert. Sie arbeiten zwar noch als Tagelöhnerin, aber sie haben durch die Kälber beträchtliches Kapital aufgebaut und den Anbau von Lebensmitteln ausgeweitet; sie brauchen weniger Zeit und Kraft, um Brennmaterial zu suchen. Sie haben warme Kleider und Schuhe gekauft. Etliche haben gespart und sich ein Butterfass gekauft (3000 Rupies/30 €).
Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle Kinder in der Schule, etliche auf Schulen, die Schulgeld verlangen, oder in anderen Orten, weil die Dorfschule nur bis zur 3. oder 5. Klasse führt. Der Gesundheitszustand der Kinder habe sich deutlich gebessert – sagen übereinstimmend die Mütter und ehrenamtliche SozialarbeiterInnen wie Pema B.
Selbst die Mütter, die ein Kalb verloren haben oder deren lokale Kuh nur schwer tragend wird, sagten, sie seien sehr froh über die Kuh; Passang G. aus Gilling: „Ich habe doch jetzt Dung! Die Kuh ist keine Last, sondern eine Hilfe, selbst wenn sie gerade keine Milch gibt.“
Vielen Müttern ist der Dung noch wertvoller als die Milch.
Tseti D. aus Lo Mantang hat dank des Dungs statt für 4-5 Monate jetzt für 8-9 Monate Getreide aus eigenem Anbau, Tsemi G. aus Tsarang hat ihre Getreideernte mit dem Dung von 160 auf 260 kg gesteigert. Selbst Witwen, die Land haben, wie Chisi A. aus Lo Mantang, haben zusätzliches Land gepachtet. Chisi, Mutter von 3 Kindern, hat nun für 7-8 Monate genug Getreide. Die Pacht ist unterschiedlich hoch von Dorf zu Dorf, oft günstig oder sogar kostenlos, weil reiche Familien in die Stadt abwandern.
Die Mütter bauen im Wechsel Buchweizen, Gerste, Weizen, Kartoffeln und Senf (Ölherstellung) an und bekommen so mit dem Getreide auch Stroh, das sie im Winter für die Rinder brauchen. Etliche Mütter zeigten, dass sie nun auch Gemüse für die eigene Familie ziehen, was ohne Dung unmöglich war. Den übrigen Teil des Dungs nutzen sie zum Kochen.
Dolma T. aus Choessar z.B. erspart der restliche Dung ihrer Rindviecher jedes Jahr einen Monat harte Arbeit: mit der Kiepe Dung und Holz zu sammeln. Allerdings verarmt der Boden wenn Dung verbrannt wird, statt dem Boden Nährstoffe zurückzugeben.
Zwei Mütter, denen Kuh und Kalb bei der Geburt gestorben waren, haben sich Geld geliehen und selbst ein neues weibliches Kalb gekauft. Dass sie das Risiko eines Kredits eingegangen sind, zeigt, dass die lokale Kuh in Upper Mustang offensichtlich das richtige Tier ist. An einen solchen Kauf auf Kredit hätten beide vor dem Projekt nicht einmal gedacht.
Die meisten Mütter in Upper Mustang haben inzwischen eine Kuh und mehrere Kälber. Die ersten drei Kälber haben selbst schon ein Kalb bekommen; Diki G. aus Lo Mantang hat sogar ein weibliches Kalb vom ersten Kalb. Diki muss das Elternhaus verlassen, wenn ihr Bruder ins Dorf zurückkehrt. Für sie ist die Rinderfamilie eine gute Absicherung, denn sie wird vermutlich ca. 1000 Rupien pro Monat Miete zahlen müssen.
Normalerweise werden die lokalen Kühe mit vier Jahren tragend; d.h. ab 2012 werden etliche Mütter Milch von zwei Kühen haben und mehr verkaufen können. Die kompletten Rindvieh“herden“ von Doka G. (4 Tiere), Dolma T. (5) oder Fu D. (4) aufs Foto zu bekommen, waren Tänze zwischen frischen Kuhfladen mit gelegentlichen Fehltritten – und trotzdem eine überwältigende Freude für mich und für die stolze Besitzerin.
Die unverheiratete Doka G. hat ihren Sohn erst eingeschult, nachdem sie die Kuh erhalten hat. Der 13jährige geht jetzt in die dritte Klasse. Doka spart ihr ganzes Einkommen aus Milch und Schurpi (Hartkäse), um dem Kind möglichst lange die Schule zu ermöglichen.
Dolma T., die unverheiratet eine Tochter hat und deshalb 2007 die Kuh erhielt, hat vor drei Jahren geheiratet. Für das kleine Kind aus ihrer Ehe muss ihr Mann aufkommen, während alles Einkommen aus den Kühen für die Tochter verwandt bzw. z.T. gespart wird. Dolmas Kuh gibt 3-5 l am Tag, Dolma verkauft Butter für 900 Rupien pro Woche, ein enorm hohes Einkommen aus Butter.
Mütter mit mehreren Kindern produzieren Butter und Schurpi meist nur für den Eigenverbrauch.
Die Gesundheit ihrer Kinder hat Priorität vor zusätzlichem Einkommen: Die Mütter könnten z.B. ihre Butter für 5-600 Rupien pro Kilo verkaufen und für den eigenen Verbrauch die Billigbutter aus China (400 Rupien) kaufen, aber alle Mütter, die ich getroffen habe, verkaufen nur den Überschuss. „Wir geben den Kindern jetzt auch frische Milch und viel mehr Butter als früher“, erklärten sie stolz.
Etliche Mütter wollen nächstes Jahr ihr erstes männliches Kalb verkaufen. Sie warten bis der kleine Bulle vier Jahre alt ist, dann zahlen chinesische Einkäufer 5-6000 Rupien. In China besteht große Nachfrage nach frischem Rindfleisch – während die meisten Nepalis aus religiösen Gründen kein Rindfleisch essen.
Diese neue Einkommensmöglichkeit hat sich bis in entlegenste Dörfer wie Chunjung und Samsung herumgesprochen. Es kann sein, dass sich durch die hohe Nachfrage der Chinesen, die leider sogar Kühe schlachten, der Preis für lokale Kühe etwas erhöht.
Wir haben den Projektbesuch auch genutzt, um in den Dörfern nach allein erziehenden Müttern mit kleinen Kindern zu fragen, die noch keine Kuh haben, weil 2008 ihr Mann noch lebte oder sie noch kein Kind hatten. Unser Kooperationspartner vor Ort, Sahayog Himalaya-Nepal (SHN), will die Tiere möglichst rasch kaufen und vergeben.
In einigen Dörfern mit wenig Gras, z.B. in Gilling und Choessar, ist es schwierig für die Mütter, genug Futter für den Winter zu sammeln. In diesen Orten haben die Mütter auch weniger Kälber als in Orten mit guter Futterlage wie z.B. in Tsarang.
Wir wollen versuchen, mehr nachwachsendes Futter mit dauerhaften Wurzeln und nachwachsendes Brennmaterial (statt Dung) in den Dörfern einzuführen, und werden in einem späteren Reisebericht darüber berichten. Mehr Futter würde die Milchleistung steigern und es den Müttern erleichtern, die Kälber über den Winter zu bekommen.
Die Tiere sind in den Schneemonaten im unteren Teil geschützter Hofanlagen untergebracht, oft bei reicheren Bauern, die die allein erziehenden Mütter so unterstützen. Viele Mütter packen das kleinste Kalb im Winter zusätzlich in eine Filzdecke.
Die ersten Mütter beginnen Aktivitäten über den landwirtschaftlichen Bereich hinaus: Döka G. aus Tsarang hatte sich nach dem Erhalt der Kuh erst eine Teestube gemietet, in der sie Milch- und Buttertee verkaufte. Vor einem Jahr baute sie sich selbst ein Haus und eine eigene Teestube.
Karsang A. aus Phutak hat ein kleines Restaurant (Bhatti) für Einheimische eingerichtet. Einige Frauen haben sich ein Haus gebaut; auch das Haus von Tamdin aus Samsung (Reisebericht 2008) ist fertig und bezogen. Nur noch zwei Mütter leben in den Felshöhlen in Choessar, die anderen wohnen bereits zur Miete.
Ich habe sechs von uns geförderte Hebammen und die inzwischen 26jährige Amchi Pema D. getroffen. Pema hat nördlich von Lo Mantang inzwischen mehr als 20 Geburten betreut und reitet auch zu zahlreichen Krankenbesuchen und zur Heilkräutersammlung.
Kessang G. aus Thinkkar, die am ersten Hebammenkurs teilgenommen hat, kam uns zufällig entgegen. Sie machte gerade einen Krankentransport von der Gesundheitsstation in Lo Mantang zurück ins Dorf. Die Patientin war so schwach, dass Kessang sie aufs Pferd heben musste. Kessang ist für einen weiten Umkreis zuständig: Kimling, Puwa, Thinkkar, Namgyal, Nemdal und Chunjung.
Sie hatte schon vor dem Training als Hebamme gearbeitet, aber sie hat erst im Kurs gelernt, wie wichtig ein steriles Geburtsumfeld, korrektes Händewaschen und Gesundheitsberatung für die Schwangeren sind. Sie hat im Training das Abhören der Herztöne gelernt und korrektes Abnabeln. Seit dem Kurs hat sie vier Geburten selbst betreut und dafür gesorgt, dass eine Mutter mit absehbarer Risikogeburt ins Krankenhaus nach Pokhara gebracht wurde.
Auch andere Hebammen erklärten, sie hätten vor dem Training nicht gewusst, wie wichtig Hygiene bei der Geburt sei. In Upper Mustang stirbt in manchen Dörfern jede zehnte Mutter, aber nicht während der Geburt, sondern an Infektionen nach der Geburt. Die geschulten Geburtshelferinnen erklären der Schwangeren schon Monate im Voraus, was sie für eine saubere Geburt vorbereiten muss.
In das Hebammenprogramm sind auch einige kleine, aber sehr entlegene Orte einbezogen. Die 28jährige Tenji P. aus Sancta ist beispielsweise für zwei Dörfer mit nur ca. 90 Einwohnern zuständig. Die nächste Gesundheitsstation ist aber zwei Tagesreisen entfernt, so weit kann keine Gebärende gehen. Tenji hat inzwischen eine Geburt betreut: „Alles hat gut geklappt!“ Beide Dörfer seien froh, dass es jetzt eine Hebamme gebe, auch wenn Geburten nicht so häufig sind.
SHN hat diesen Sommer in Kathmandu das zweite Hebammentraining für 24 Frauen durchgeführt, sieben aus Myagdi, 17 aus Helambu/Langtang. Die Pferde sollen möglichst bald vergeben werden. Aus logistischen Gründen war es leider nicht möglich, die Frauen aus Dolpa ebenfalls einzuladen, es sollen aber noch Frauen aus Dolpa als Hebamme ausgebildet werden.